Gedanken Peter Turrini zum 80. Geburtstag

So, 29.09.  |  9:05-10:00  |  Ö1
Die Krücke des Wortes als Überlebensmittel – Peter Turrini über den Versuch die Welt mit Hilfe von Sprache erfahrbar zu machen

„Ich werde erst durch das Verfassen eines Textes, eines Gedichtes auf die Welt gebracht! Ich sehe mich als Mensch, der die Krücke des Wortes braucht, um überhaupt überleben zu können. Sonst würde ich mit dem Gesicht zur Erde fallen und sofort ersticken. Mein Leben ist eine ständige Flucht in die Unwirklichkeit, und dadurch wird es ein bisschen heiterer. Ich lese ständig irgendwo, meine Stücke seien einerseits der größte Dreck und andererseits frühe Klassiker. Manchmal werde ich bejubelt, manchmal ausgepfiffen. Was soll man davon halten? Am besten ist es, man phantasiert weiter und schreibt das nächste Stück."Für Peter Turrini, einen der bedeutendsten österreichischen Autoren, ist ein Leben ohne den bewussten Umgang mit Sprache undenkbar. Als politischer Dramatiker, Redner und Briefeschreiber ergreift er immer wieder das Wort gegen soziale Ungerechtigkeit, Ausländerhetze und den Rechtsruck in der Gesellschaft. Leidenschaftlich und polemisch setzt er die Sprache als Stachel gegen die allzu satte Selbstgerechtigkeit des bürgerlichen Establishments ein. In den Gedanken spricht Turrini darüber wie die innere und die äußere Welt des modernen Menschen immer weiter auseinanderklaffen. Denn, so Turrini: "Wir sind die am meisten informierte und gleichzeitig ahnungsloseste Gesellschaft, die je existiert hat.“ Dieser Widerspruch drückt sich seiner Meinung nach auch in dem Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit aus. Der Sprache wird in heutiger Zeit Gewalt angetan, sie wird verkürzt und verstümmelt. In der Welt von SMS und Internet beginnt die Kürzel-Form auch die Inhalte zu bestimmen und so auch auf fatale Weise die Realität. Alles ist zu jeder Zeit verfügbar, die Grenzen verschwimmen, eine Art sprachliche Enteignung nimmt ihren Lauf: „Nur ein SMS zur Trennung zu schicken ist das schlimmste“. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist für Turrini, den Kämpfer, die Literatur: „Es ist das Wesen der Literatur von Dingen zu handeln, die andere Leute was angehen. Die Literatur ist ihrem Wesen nach unvorsichtig, schonungslos, penetrant, peinlich, und würde sie alle diese Überschreitungen nicht zulassen, wäre sie keine Literatur. Ängstlichkeit, Vorsicht, Diskretion haben in der Literatur nichts zu suchen."Peter Turrini begeht am 26. September seinen 80. Geburtstag.

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