Punkt eins Lohn statt Taschengeld!

Fr, 21.06.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Berufliche Inklusion und innovative Erwerbsarbeitsmodelle für Menschen mit Behinderung. Gäste: Alexandra Schmidt-Bearzi, Fachbereichsleitung ChancenForum bei dem sozialen Dienstleister autArK & Markus Glanznig, Mitarbeiter im Bildungszentrum Lurnfeld, Teilnehmer am Programm ChangeForum-Reha & Selma Sprajcer, Soziologin und Senior Researcherin an der Wirtschaftsuniversität Wien, Bereich Menschen mit Behinderung, NPO&SE Kompetenzzentrum. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Eine wesentliche Forderung des Artikel 27 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen – 2008 in Österreich in Kraft getreten – ist das Recht aller Menschen auf bezahlte Arbeit. Beschäftigung mit eigenem Einkommen bedeutet Selbstbestimmung, soziale und berufliche Integration, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Realität von Menschen mit kognitiven und/oder physischen Beeinträchtigungen oder Behinderungen sieht freilich vielfach anders aus, denn rund 28.000 von ihnen befinden sich in „Tages- und Beschäftigungsstrukturen“ – früher „Behindertenwerkstätten“ genannt – und erhalten statt einem Lohn ein Taschengeld in der Höhe von 35 bis knapp 100 Euro pro Monat. Vor mehr als zwanzig Jahren hat eine damals als Bibliothekarin tätige Pädagogin einem jungen Mann mit Down-Syndrom geholfen, seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. Er wollte Bibliothekar werden und wurde das auch – dank gezielter professioneller Unterstützung. „Es war für mich schön zu sehen, wieviel – mit Assistenz – für Menschen mit Behinderung möglich ist“, sagt Alexandra Schmidt-Bearzi. Auf der Basis dieser Erfahrung hat sie das Erwerbsarbeitsmodell ChancenForum aufgebaut, das sie heute leitet. 175 Menschen mit Behinderungen wird durch den Einsatz von Assistenz und Mentorinnen Erwerbsarbeit in den unterschiedlichsten Unternehmen ermöglicht, wobei alternative Modelle weitere 50 Personen beschäftigen. Markus Glanznig ist einer von ihnen – er leidet an einer degenerativen Erkrankung der Muskulatur, die ihn auch kognitiv beeinträchtigt und hat mit Hilfe von ChancenForum im Bildungszentrum Lurnfeld einen adäquaten Arbeitsplatz gefunden, der ihn fordert und fördert. Die Studie „Lohn statt Taschengeld“ ist von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Wirtschaftsuniversität Wien erstellt worden. In dieser wird das „Ist-System“ mit einem „Alternativ-System“ – bei dem statt des Taschengelds ein Lohn in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtwertes bezahlt wird – über die Dauer von 55 Jahren verglichen. Gewinner der Einführung einer sozialversicherungspflichtigen Entlohung sind, laut der Soziologin Selma Sprajcer, nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Trägerorganisationen, der Bund und die Sozialversicherung. Einerseits fallen soziale Transferleitungen weg, andererseits müsste der größte Brocken – in der Höhe von rund 402 Millionen Euro pro Jahr – aufgrund der derzeitigen Kompetenzverteilung von den Ländern gestemmt werden, sofern es über den Finanzausgleich nicht zu einer Umverteilung der Kosten kommt. Was bedeuten Erwerbsarbeit und Lohn für Menschen mit Behinderung? Welche Zukunftsmodelle können die Beziehung zwischen Gesellschaft und Menschen mit Behinderung verändern? Wie immer freut sich die Punkt eins Redaktion über rege Teilnahme der Hörerinnen und Hörer an der Sendung, unter punkteins(at)orf.at oder unter 0800 22 69 79 telefonisch während der Sendung.

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