Geheimnisvolle Orte Der Anhalter Bahnhof - Film von Eva Röger

Mi, 20.11.  |  21:00-21:45  |  RBB
Untertitel/VT Stereo 
Der "Mosaiksaal" der Neuen Reichskanzlei: Inszenierung einer unbarmherzigen, brutalen Macht. Bild: Sender
Der "Mosaiksaal" der Neuen Reichskanzlei: Inszenierung einer unbarmherzigen, brutalen Macht. Bild: Sender
Als „Tor zur Welt“ wurde er bezeichnet, und wenn der Berliner liebevoll von seinem „Anhalter“ sprach, dann schwang Fernweh und Begeisterung mit. Die Portikus-Ruine am Askanischen Platz ist der kleine Rest eines imposanten Bauwerks von Weltmaßstab. Mit seinem Güterbahnhof am Gleisdreieck, wo sich die Gleise dreier Bahnhöfe vereinigten, schrieb der Anhalter Berliner Eisenbahngeschichte.

Als „Tor zur Welt“ wurde er bezeichnet, und wenn der Berliner liebevoll von seinem „Anhalter“ sprach, dann schwang Fernweh und Begeisterung mit. Der Name des Bahnhofs am Askanischen Platz gab die Richtung vor: das Herzogtum Anhalt südwestlich der Hauptstadt Preußens. Schon bald erreichte man jedoch fernere, klangvollere Ziele wie Rom, Athen und Konstantinopel mit der Eisenbahn. Der Anhalter Bahnhof wurde zum Synonym für Fernweh. Der Anhalter, Endpunkt eines wahren Schienen-Deltas, das hinter dem Landwehrkanal die Stadtlandschaft zerteilte, war seit der Einweihung des neuen Bahnhofsgebäudes 1880 das imposanteste Bauwerk der jungen Industrie-Metropole. Sein Dach überspannte eine Fläche, breiter noch als der Boulevard Unter den Linden. Mit dem südlich vorgelagerten Güterbahnhof war der Anhalter Berlins größter Warenumschlagplatz. Alles wurde hier herbeitransportiert: Stahl und Postpakete, Milch und Fleisch, Zeitungen aus aller Welt. Hier schlug bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Berlins logistisches Herz. Am Anhalter empfingen schon die deutschen Kaiser ihre Staatsgäste, eine pompöse Propagandainszenierung aber erlebte der Bahnhof bei der Rückkehr Adolf Hitlers nach dem Frankreichfeldzug 1940. Zeitzeugen erinnern sich an die Menschenmassen, die den Bahnhof umlagerten. Sie erzählen auch von ihren Erinnerungen an das lebendige Bahnhofsviertel, an die Kinderlandverschickung und den Bahnhof der Flüchtlingsströme am Kriegsende. Weniger bekannt ist, dass ab 1942 vom Anhalter Bahnhof knapp 10.000 Berliner Juden nach Theresienstadt deportiert wurden, sie mussten in Waggons steigen, die den Zügen nach Dresden angehängt waren. Die Germania-Planungen der Nationalsozialisten nahmen das Ende des Bahnhofs vorweg, Krieg und Teilung der Stadt besiegeln sein Schicksal: die Ruine des Bahnhofsgebäudes nahe der Sektorengrenze wurde 1959 gesprengt. Nur ein Rest der Eingangsfront am Askanischen Platz blieb stehen. Heute ist es zu einem Denkmal für die Schrecken des Krieges geworden. In den restaurierten Lokschuppen des Anhalter Betriebswerks stellt das Technikmuseum seit 1983 die Relikte dieser Eisenbahngeschichte Berlins aus.
Der Film erzählt von der wechselhaften und geheimnisvollen Geschichte des Bahnhofs, der einst das lebendige Herz einer pulsierenden Metropole war und allmählich aus dem Stadtbild und dem Bewusstsein der Berliner verschwand.

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