Zwei Tage vor der Weltpremiere des Films "3096" hat RTL-Moderatorin Katja Burkard am Samstag die 25-jährige Natascha Kampusch in ihrer Heimatstadt Wien zum großen "Punkt 12"-Interview getroffen. Hoch über dem Stephansplatz und mit Blick auf den weltbekannten Stephansdom sprachen die beiden u.a. über Natascha Kampuschs Märtyrium und die Spätfolgen nach der Selbstbefreiung aus ihrem Verließ, wo sie 3096 Tage gefangen gehalten wurde. Das RTL Mittagsjournal zeigt das Gespräch am Montag, 25. Februar, unter der Rubrik "Katja trifft...".
Eindringlich beschreibt Natascha Kampusch dabei, wie sehr sie in der Isolationshaft immer wieder unter Hunger gelitten habe und dass das Thema Essen für sie bis heute schwierig sei:
Kampusch: "Das ist dann so etwas, wo man an nichts anderes mehr denken kann als an Essen. Da hat man keine Hungergefühle mehr im Bauch, sondern das ist so ein Überlebensgefühl, eine Gier, die sich alles nur um etwas zu Essen drehen lässt".
Da sie von ihrem Entführer Wolfgang Priklopil mitunter tagelang nichts zu essen bekommen habe, habe sie manchmal auch Angst gehabt zu verhungern "oder zumindest bleibende Schäden davonzutragen." Was ihr in solchen Situationen auch geholfen habe, seien Postwurfsendungen gewesen.
Kampusch: "Dann habe ich mir das Essen, das dort war abgebildet war, vorgestellt und vorgestellt, wie ich das essen würde und wie mir das schmeckt." Bis heute, so Natalie Kampusch weiter, sei das Essen ein schwieriges Thema für sie: "Ich war viele Nahrungsmittel, die ich danach zu mir nahm, nicht gewohnt und habe dann Probleme bekommen. Das ist ein ambivalentes Verhältnis, ich bin nicht so glücklich damit."
Ob sie manchmal Angst spüre, noch einmal gekidnappt zu werden?
Kampusch: "Manchmal so unbewusst, dass ich das Gefühl habe: wer weiß, vielleicht passiert so etwas ja wieder." Bis heute, so Kampusch, werde sie auch von Bodyguards beschützt. "Ich wurde eine Zeitlang begleitet und das war auch sehr wichtig. Und es ist jetzt auch noch so, aber ich versuche das nicht jemandem auf die Nase zu binden."
Natascha Kampusch zu den Spätfolgen der achtjährigen Gefangenschaft: "Die Zeit ist nicht jeden Tag präsent. Ich denke heute auch weniger über die Gefangenschaft nach. In der ersten Zeit hatte ich kaum Flashbacks. Doch je größer der Abstand wurde, desto häufiger kamen sie. Ich bin in Therapie. Die mache ich, um mit der Reizüberflutung klarzukommen. Das Schwierigste nach der Selbstbefreiung war für mich, auf die vielen Eindrücke einzugehen, die vielen Menschen, die Anforderungen, die an mich gestellt wurden."
Warum sie heute in den Medien und von Menschen auf offener Straße mitunter angefeindet wird, erklärt sich die Wienerin so: "Mir neidet man Geld. Viele denken, dass ich reich bin. Es hat sicher etwas damit zu tun, dass ich nicht öffentlich leide. Man soll ja nicht das Leid verdrängen, aber auch nicht das ganze Leben lang Trauer tragen. Nach außen zu gehen war für mich der richtige Weg."
Ihre berufliche Zukunft will die 25-Jährige, die sich auch zur Goldschmiedin ausbilden lässt, mehrgleisig angehen: "Es gibt mehrere Berufswege, die ich beschreiten werde. Das eine ist mehr das Öffentliche, das andere mehr das Private." Dabei kündigte Natascha Kampusch an, die mit ihrem Geld u.a. bereits eine Kinderkrankenstation in Sri Lanka hat ausbauen lassen, dass sie auch in Zukunft Hilfsprojekte unterstützen werde. Ob sie selber auch den Wunsch habe, Kinder zu bekommen? "Vorläufig mache ich mir keine Gedanken um dieses Thema. Man weiß nie, was kommt."
RTL-Moderatorin Katja Burkard zeigte sich nach dem eineinhalbstündigem Interview und anschließenden Spaziergang mit Natascha Kampusch durch den verschneiten Wiener Stadtpark sehr beeindruckt: "Es war ein schweres Interview. Es stehen so viele Fragen im Raum, die man sich nicht zu stellen traut angesichts der Grausamkeiten, die diese Frau überlebt hat. Natascha Kampusch wird mich sicher noch weiter beschäftigen. Sie ist eine absolut beeindruckende Persönlichkeit, intelligent, reflektiert. Sie strahlt so viel Lebenskraft und innere Stärke aus. Für mich ist sie eine Heldin. Es ist so ungerecht, dass so viele Leute ihr Schlechtes wünschen oder ihr schaden wollen."
Quelle: "Punkt 12"