König Ludwig II. von Bayern Der einzig wahre König

Mo, 02.06.  |  22:45-23:30  |  BR
Untertitel/VT Stereo  2011
König Ludwig II. von Bayern unternahm außer einigen Schweizaufenthalten nur drei Auslandsreisen. Alle führten ihn nach Frankreich. Seine Verehrung galt Ludwig XIV., dessen Schloss Versailles er durch die öffentliche Zugänglichkeit entweiht sah und in seinen berühmten Bauprojekten zu kopieren versuchte. Selbst abhängig von Gesetzen und Parlament, war der Sonnenkönig Ludwigs Vorbild. Seine Frankophilie und Bourbonenverehrung sowie die damals bereits unzeitgemäße Überhöhung des Absolutismus stehen zum ersten Mal im Zentrum einer Dokumentation über den eher als Märchenkönig in die Annalen eingegangen Bayernkönig Ludwig II.

Es herrscht höchste Sicherheitsstufe für die Pariser Polizeibehörden, als Ludwig II. als Graf von Berg im Juli 1867 zur Weltausstellung anreist. Napoleon III. hofiert den jungen König. Doch Ludwig bleibt reserviert, für ihn ist der französische Kaiser ein Emporkömmling. Sein Idol ist der Bourbonenkönig Ludwig XIV.; doch bevor er dessen Schloss Versailles besuchen kann, muss er überstürzt abreisen - ein Onkel ist gestorben. 1874, nachdem die deutsche Frage entschieden ist, setzt Ludwig II. gegen politische Bedenken seiner Minister eine zweite Frankreichreise durch, um endlich Versailles zu besuchen. Es wird eine Enttäuschung. Versailles ist für ihn durch die öffentliche Zugänglichkeit entweiht.

Der bürgerlich auftretende konstitutionelle Monarch sieht ausgerechnet in der absolutistischen, uneingeschränkten Macht der Bourbonenzeit das wahre Königtum, das er zunehmend in seine Gegenwart hineinzuholen versucht. An diesem Anachronismus scheitert Ludwig letztendlich. Denn die Realität des 19. Jahrhunderts erlaubt keine königlichen Allmachtsfantasien mehr, bindet auch den König von Bayern an Gesetz und Volksvertretung, den Landtag. Der Monarch hat nur seine Berechtigung, solange er das ihm verliehene Amt zum Wohle des Volkes ausübt. Ludwigs absolutistisches Königsverständnis, das sich zumindest in seinen Baufantasien nicht beschränken lassen will, und die damit heraufbeschworene Eskalation, machen deutlich, wie fragil das Gebilde der konstitutionellen Monarchie insgesamt ist. Seine Frankreichverehrung beschreibt auch die innere Entwicklung und den immer stärkeren Rückzug Ludwigs II. nach der Reichseinigung.

Sein bizarrstes Bauprojekt, die fixe Idee, eine Kopie von Versailles auf Herrenchiemsee zu errichten, ist einzigartig, auch im Zeitalter des Historismus. Es soll Ludwigs privater Weihetempel sein, unzugänglich auf einer Insel, den Augen der Öffentlichkeit entzogen. Doch dieser Fluchtpunkt, das teuerstes Bauwerk der Epoche, ruiniert ihn schließlich. Sogar der Komponist Richard Wagner steht der Frankreichbegeisterung seines Förderers befremdet gegenüber. Anders die Franzosen, die in ihre Wagnerbegeisterung bald den verkannten bayerischen Monarchen einschließen - und das schon in Ludwigs letzten Lebensjahren. Paul Verlaine bezeichnete ihn schließlich in seinem Gedicht als den "einzig wahren König des Jahrhunderts".

in Outlook/iCal importieren

Mediathek für BR:

BR Mediathek und Livestream

Senderinfos zu BR:

BR – Kontakt & Infos