NETZ NATUR Vom Kuh sein
Mi, 25.12. | 12:15-13:05 | SFinfo
Info / Dok, Schweiz 2011
Wer grosse Waldrinder wie den asiatischen Gaur oder den europäischen Wisent studiert, hat auch schnell eine Vorstellung vom Verhalten und den natürlichen Bedürfnissen der hiesigen Hausrinder – denn auch sie stammen von einem wilden Waldrind ab, das vor rund 400 Jahren ausgestorben ist – vom Ur.
Rinder sind Herdentiere, die langjährige, stabile Gemeinschaften mit Kühen und ihren jeweiligen Kälbern entwickeln. Die Herden sind ständig in Bewegung, sodass sie die Vegetation nicht übernutzen und mit dem Kot auch ihre Parasiten stets hinter sich lassen. Die Hörner dienen nicht nur als wirksame Waffen gegen Feinde und Artgenossen, sie sind auch ein wichtiges Kommunikationsmittel innerhalb der Herde – sogar auf Distanz, ohne jede Berührung.
Auf zur Tierfabrik? Heute werden bei der wirtschaftlichen Nutzung des Hausrindes oft viele grundlegende biologische Bedürfnisse der Tiere missachtet. «NETZ NATUR» nähert sich dem Naturell unserer Kühe und zeigt auf, wie sich in den letzten 20 Jahren die intensive Nutzung immer mehr von den natürlichen Bedürfnissen der Tiere entfernte: Die Leistungssteigerung bei Milch und Fleisch und die damit verbundenen Züchtungen und Haltungsformen vernachlässigen immer stärker das, was eine Kuh tatsächlich braucht.
Auch die Schweiz bewegt sich immer mehr in Richtung einer Tierhaltung, die vielerorts im Ausland Standard ist: Tausende von Rindern für die Fleischmast oder Kühe für die Milchproduktion, die auf kleinstem Raum mit Hormonen und importiertem Kraftfutter skrupellos zur Höchstleistung getrimmt werden.
Bauern ohne Alternative? Noch ist die Schweiz nicht ganz an diesem Punkt angelangt. Aber wenn die Politik die heimische Landwirtschaft für den internationalen Markt konkurrenzfähig machen will, ist dieser Weg vorgezeichnet. Viele Bauern sind darüber nicht erfreut – aber sie sehen keine andere Möglichkeit zu überleben: Wachstum oder Untergang heisst die Devise, was meist auf Kosten der Tiere geht, wie die Erfahrung zeigt. Doch muss man einfach hinnehmen, dass eine durchschnittliche Milchkuh heute im Alter von vier Jahren bereits wieder geschlachtet wird? Ist es unvermeidlich, dass viele Kälber getrennt von ihren Müttern so gehalten werden, dass sie in der Regel krank werden und deshalb routinemässig mit Antibiotika gefüttert werden müssen?
Neben diesen scheinbaren, wirtschaftlichen Sachzwängen gibt es auch andere Trends im Land, die den Bedürfnissen der Kühe wieder besser gerecht werden. Mutige Pioniere orientieren sich mit neuen Produktionsformen von Milch und Fleisch am Wohl und Naturell ihrer Tiere, an der ökologischen Verträglichkeit ihrer Betriebe und an der Nachfrage im lokalen Markt: Sie setzen auf Qualität statt auf Quantität. Und vor allem auf eine nahe und intensive Beziehung zu ihren Tieren. Sie halten ihre Kühe in grossen, intelligent strukturierten Laufställen. Es sind dies tiergerechte Ansätze, die in vielen Bereichen noch in der Entwicklung stecken.
in Outlook/iCal importieren