My Mexican Bretzel Dokumentarfilm Spanien 2019
Mi, 02.07. | 1:00-2:15 | ARTE
Information, 2019
Eine Reise durch das Europa des Wirtschaftswunders, eine wunderschöne Lüge aus dokumentarischem Material und poetischer Erzählung - ganz ohne Dialog.
50 Rollen 8- und 16mm-Filmmaterial bildeten den Ausgangspunkt für Nuria Giménez’ Film. Es sind Amateurfilme, die ihr eigener Großvater Frank A. Lorang gemeinsam mit seiner Ehefrau Ilse G. Ringier drehte und die die Regisseurin 2011 nach dem Tod des Großvaters fand. Knapp 30 Stunden unglaubliche Aufnahmen, die er in den 40er, 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gedreht hatte. Fasziniert von dem Material, hatte Giménez die Idee, dieses Erbe mit der Geschichte eines ganz anderen, rein fiktiven Paares zu verflechten - Vivian und Léon Barrett.
Vivian und Léon Barrett sind ein Schweizer Ehepaar auf dem Weg nach oben. Die Bilder, die sie zeigen, stammen offensichtlich von Léon selbst, der mit Vorliebe seine Frau filmt und all die bürgerlichen Abenteuer, die sie erleben: Stierkämpfe in Spanien, Sommerurlaube auf Mallorca, Skiferien in den Alpen und ein Besuch des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, wo sich der bisher schwerste Unfall in der Geschichte des Motorsports ereignet und die beiden, wie es im Film heißt, nachhaltig traumatisiert.
Sonst aber läuft es gut in ihrem Leben: Léon legt dank der Entwicklung eines Antidepressivums eine steile Karriere in der boomenden Pharmabranche hin; seine Frau Vivian begleitet ihn auf all seinen Reisen und hält die Eindrücke in einem Tagebuch fest, das durchzogen ist von den Weisheiten und Sinnsprüchen eines (erfundenen) Gurus namens Paravadin Kanvar Kharjappali. Einer seiner Sätze ist zum Motto und Leitmotiv dieses Filmes avanciert: „Lügen sind nur ein anderer Weg, die Wahrheit zu sagen.“
Der hybride Dokumentarfilm spielt mit allen Regeln des Genres und wurde nicht nur in Spanien gefeiert, wo er auf der Liste der zehn besten Filme des Jahres stand. „My Mexican Bretzel“ lief auf über 30 internationalen Festivals und erhielt unter anderem Preise für die Kategorien Beste Regie, Bester Found Footage-Film, Bester Erstlingsfilm, Bester Dokumentarfilm und einen Publikumspreis. Der nur 74 Minuten lange Film hinterlässt am Ende eine Menge Fragen: nach dem Verhältnis von Fiktion und Wahrheit, von Bild(ern) und Narration(en), nach einer immer wieder eingeforderten „Verantwortung“ im Umgang mit dokumentarischem Material und dem Recht zur Neuanordnung von Vorgefundenem.
Regie: Nuria Giménez
Autor: Nuria Giménez
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