Geheimnisvolles Schloss Neuschwanstein
Sa, 07.12. | 12:00-12:45 | NDR
Kultur
Kein anderer Ort ist derart aufgeladen mit Mythen, Sehnsüchten und Geheimnissen wie das königliche Schloss Neuschwanstein. Am 5. September 1869 wurde der Grundstein gelegt.
Seltene Fotos von der Großbaustelle, intime Tagebucheinträge des jungen Ludwig, bislang unveröffentlichte Beschreibungen des Dorfchronisten und Einblicke in die Detailversessenheit des Bauherrn verdichten und ergründen das Phänomen Neuschwanstein.
Heute ist das bekannteste Bauwerk Bayerns untrennbar mit dem Schicksal seines Erbauers König Ludwig II. verbunden. "Der plötzliche Tod des Königs hat dem Schloss einen fulminanten Start in seiner Karriere als Touristenattraktion beschert", sagt Ludwig, Prinz von Bayern, ein Verwandter des Märchenkönigs. "Es ist eine gebaute Fantasie. Man ist nicht in einem Haus, man ist in einem Traum."
Schon bei der Erbauung wirkt das Schloss wie aus der Zeit gefallen. Es ist die perfekte Symbiose aus Hightech und Mittelalter. Der Bauherr will durch das fantastische Bauvorhaben der Realität seiner Amtsgeschäfte entkommen. Das Gefühl, nicht verstanden und akzeptiert zu werden, lässt den Monarch in immer entrücktere Traumwelten abgleiten. Neuschwanstein wird zu seinem letzten Refugium. Hier speist der persönliche Freund des Komponisten Richard Wagner mit den Sagenfiguren aus dem Nibelungenlied und schläft unter den wachsamen Augen Tristans und Isoldes.
Es bleibt dem Erbauer verwehrt, seinen Palast im vollendeten Zustand zu bewohnen: Am 12. Juni 1886 wird Ludwig abgeholt. Es regnet, Ludwig wirft noch einen letzten Blick zurück auf sein Traumschloss. Dass der König von Bayern gerade hier verhaftet und entmachtet wird, trägt zur Mystifizierung des Ortes bei. Der rätselhafte Tod im Starnberger See wenige Tage später macht den Märchenkönig endgültig zur Legende. Sechs Wochen nach seinem Tod wird das Schloss für Besucher geöffnet, auch um zu beweisen, wie "verrückt" der König war.
Für Jahrzehnte liegt das Schloss im Dornröschenschlaf. Zwei Weltkriege übersteht es unbeschadet, obwohl es von den Machthabern des "Dritten Reichs" als Lager für Raub- und Beutekunst missbraucht wird. Am Ende des Zweiten Weltkriegs erreichen US-Truppen Neuschwanstein. Bald findet sich das Schloss auf der Liste der Sehenswürdigkeiten aller in Deutschland stationierter GIs. So gelangen Fotos vom bayerischen Traumschloss in die Wohnzimmer vieler Amerikaner. Das Schloss wird zum Symbol für ein anderes Deutschland. Wer Neuschwanstein sieht, wird nicht an den Nationalsozialismus, sondern an eine bessere Welt erinnert.
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