Punkt eins Rabatte, Sales und dunkle Muster
Mi, 27.11. | 13:00-13:55 | Ö1
Heiße Deals, coole Preise, Supersonderangebote: Die vermeintlichen Schnäppchentage haben begonnen, locken mit Rabatten und Aktionen und gipfeln im Black Friday und dem Cyber Monday. Mit bis zu minus 90% und konkurrenzlos günstigen Preisen gewinnen derweil chinesische Anbieter wie Temu und Shein ganzjährig neue Kundinnen und Kunden, doch sie werden für ihr manipulatives Marketing und ihre Geschäftspraktiken international massiv kritisiert. Höchste Zeit, zu fragen: Was beeinflusst und steuert unser Einkaufsverhalten? Wie treffen wir Kaufentscheidungen; wie leicht lassen wir uns manipulieren? Und was sollte man über die neuartigen Geschäftsmodelle wissen, ehe man beim „Blitzangebot“ zuschlägt? Licht, Duft und Farbgebung, die Platzierung von Waren im Regal, limitierte Auflagen und members-only-Angebote: beim Einkaufen wird schon lange möglichst wenig dem Zufall überlassen. Doch der Onlinehandel bietet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, Nutzerinnen und Nutzer zu einem bestimmten Verhalten zu verleiten und ihre Entscheidungsfindung substanziell zu beeinflussen. Seit etwa 15 Jahren gibt es einen eigenen Fachbegriff dafür: Dark Patterns. Dunkle Muster. „Viele der Mechanismen, die hier angesprochen werden, sind so tief in uns verankert, dass wir sie nicht einfach ablegen können“, sagt Matthias Stefan, Assistenzprofessor an der Universität Innsbruck, wo er zu verhaltenswissenschaftlichen und methodischen Fragen der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften forscht und lehrt. Jede und jeder, der einmal online eingekauft, ein Hotel oder einen Flug gebucht hat, kennt solche dunklen Muster: „nur noch 1 Zimmer verfügbar, Lagerbestand niedrig, ich möchte nicht versichert sein“. Menschen werden verleitet, unvorteilhafte Kaufentscheidungen zu treffen, ihre Daten bekannt zu geben oder kostenpflichtige Abos einzugehen. Und Online-Anbieter wie Temu und Shein haben dieses moderne Marketing perfektioniert, kritisieren Verbraucherschutzorganisationen. Doch was drängt die Kundinnen und Kunden? Zeitdruck, die Angs, etwas zu verpassen oder ein unschlagbares Angebot? „Shoppen wie Milliardäre“: mit diesem Slogan lockt die Shoppingplattform Temu, die täglich rund 30.000 Pakete nach Österreich liefert. Mit „enormen Preisstürzen“ wirbt aktuell der Online-Textilhändler Shein, der wie kein anderer für den Begriff Ultra Fast Fashion steht: er kann Kleidung binnen weniger Tage mit Hilfe von datenbasierter Echtzeitproduktion herstellen. Die bekannten Online-Anbieter aus China erobern mit neuen Geschäftsmodellen, KI und Kundendaten den Markt: Dropshipping braucht keine Lager, keine Groß- und Zwischenhändler. „Die Schwierigkeiten für die Konsumentinnen und Konsumenten beginnen oft dann, wenn es Probleme mit einem Produkt gibt“, sagt Jakob Zarari, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum. „Wenn die Qualität nicht stimmt, wenn das Produkt stinkt oder anders aussieht und wenn man es dann zurückschicken und den Kaufpreis erstattet bekommen will“. Große Schwierigkeiten gibt es indes für den Handel: 6 von 10 in Onlineshops ausgegebenen heimischen Euros gehen ins Ausland (JKU-Studie); der Präsenzhandel verliert europaweit Milliarden. Die europäische Politik ist alarmiert, fürchtet um den Binnenmarkt, den fairen Wettbewerb und verschärft sukzessive die Regelungen; erst Ende Oktober hat die EU-Kommission ein Verfahren gegen den Onlinehändler Temu eingeleitet – es geht u.a. um die Gefährdung der Sicherheit und Verbrauchergesundheit. Die Zollreform soll vorgezogen werden, fordern zahlreiche Politikerinnen und Politiker; die Zollfreigrenze von 150 Euro sehen viele als problematisch. Umweltschutz und Nachhaltigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse und die Ignoranz von Menschenrechten sowie Datenschutzverletzungen zählen zu weiteren Kritikpunkten an den Anbietern. Nachhaltigkeitsforscher kritisieren, dass derartiges Konsumverhalten allen Zielen eines verträglicheren Lebensstils entgegensteht. Über die vielen Bedenken, die diese neuen Geschäftsmodelle und das moderne Marketing mit sich bringen, die rechtliche Situation beim Online-Einkauf, die Spielarten der dunklen Muster und wie man sie erkennen kann, sprechen Matthias Stefan und Jakob Zarari als Gäste bei Barbara Zeithammer mit Ihnen, unseren Hörerinnen und Hörern. Rufen Sie uns an und diskutieren Sie mit, stellen Sie Ihre Fragen und berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen unter 0800 22 69 79 oder unter punkteins(at)orf.at
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