Kulturplatz Der Fall Pelicot – Wie spricht man über das Unfassbare?
Fr, 21.02. | 9:05-9:30 | SFinfo
Kultur, Schweiz 2025
«Die Scham muss die Seite wechseln», sagte Gisèle Pelicot im Prozess gegen ihren Ex-Ehemann und ihre Vergewaltiger. Sie setzte damit ein Statement im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt und wurde zur Ikone in einem Strafverfahren, in dem üblicherweise die Opfer sich rechtfertigen müssen. Jetzt hat sich auch Pélicots Tochter, Caroline Darian in ihrem Buch «Und ich werde dich nie wieder Papa nennen» zu den Verbrechen ihres Vaters geäussert. Dazu wie es ihre Familie, von der sie glaubte, dass es eine glückliche war, zerstört hat. Dazu was es mit ihr, der Tochter des Opfers und des Täters, gemacht hat. Caroline Darian hat in ihrem Buch eine Sprache dafür gefunden.
Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro schwieg zum familiären Missbrauch
Ganz anders als Alice Munro, die dafür berühmt wurde, dass sie in ihren Erzählungen ganz genau hinschaute auf die Kleinfamilie. Doch bei ihrer eigenen Tochter, Andrea Skinner, versagte dieser Blick. Skinner wurde jahrelang als Kind von ihrem Stiefvater, Munros Ehemann, sexuell missbraucht. Erst als Erwachsene traute sie sich, der Mutter davon zu erzählen. Doch diese zog daraus keine Konsequenzen und schwieg lebenslang – privat und literarisch. Laura Leupi macht das anders. Im Buch «Das Alphabet der sexualisierten Gewalt» wird der Versuch gestartet, einer Vergewaltigung in den eigenen vier Wänden, eine Sprache zu geben.
Die Gesellschaft verharmlost sexualisierte Gewalt, meint Agota Lavoyer
Darüber sprechen, das ist auch für die Buchautorin Agota Lavoyer eine wichtige Voraussetzung zur Prävention. Sie war lange in der Opferhilfe für sexualisierte Gewalt tätig und hat 2024 mit «Jede_Frau» eine Gesellschaftskritik zu dem Thema geschrieben. «Wenn wir das Ausmass sexualisierter Gewalt vermindern wollen, müssen wir das System dahinter anschauen», sagt sie, und dass Frauen in vielen Bereichen des Lebens immer noch weniger wert seien. Im Gespräch mit Nina Brunner gibt Lavoyer einen Überblick über den Stand der Dinge.
Auch das Theaterstück «Prima Facie» thematisiert Vergewaltigung
An drei Häusern in der Schweiz wird derzeit «Prima Facie» aufgeführt. Ein 90-minütiger Monolog in der Anwältin Tessa, die vor allem Täter in Vergewaltigungsprozessen verteidigt, selbst zum Opfer wird. Und wie ihr anfängliches Credo «Im Zweifel für den Angeklagten» sich durch die selbst erlebte sexualisierte Gewalt, komplett verändert. Auch hier hat die Scham am Ende die Seite gewechselt.
Hilfsangebote:
https://www.opferhilfe-schweiz.ch
https://limita.ch/kontakt/
https://www.castagna-zh.ch/
https://beforemore.ch/ueber-uns/
https://sifg.ch/ueber-uns/
https://www.frauenhaeuser.ch/de/psychische-gewalt
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