Deutschland in der frühen Bronzezeit
So, 01.12. | 8:30-9:15 | Phoenix
Mirko Drotschmann beleuchtet eine Epoche, die erst seit rund 20 Jahren im Fokus der Archäologie in Deutschland steht: die Frühe Bronzezeit.
Auslöser für diesen Forschungsboom war der Fund der Himmelsscheibe von Nebra. Sie wurde 1999 von Raubgräbern entdeckt und gestohlen, konnte aber in einer krimiähnlichen Aktion sichergestellt werden. Seitdem ist sie im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ausgestellt.
Die Himmelsscheibe gilt als der bedeutendste archäologische Fund auf dem Gebiet des heutigen Deutschland und ist eines der bestuntersuchten archäologischen Objekte unserer Geschichte. Die älteste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheit diente wahrscheinlich als Kalender. Doch welche Kultur hatte vor rund 4000 Jahren das Wissen und die Technik, ein solches Hightech-Objekt herzustellen?
Bisher wurde angenommen, dass damals auf dem Gebiet Mitteldeutschlands Stammesfürsten über einfach strukturierte Gemeinschaften von Jägern und Viehzüchtern herrschten. Doch die Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra hat den Blick auf die Frühe Bronzezeit verändert. Der Fund wurde der Schlüssel zum Verständnis einer Gesellschaft, die weiter entwickelt war als bisher vermutet, obwohl sie weder die Schrift kannte noch gewaltige Steinmonumente hinterlassen hat.
Mirko Drotschmann trifft Forschende, die gerade dabei sind, diese untergegangene Welt der Himmelsscheibe wieder ans Licht zu bringen mit vielen spektakulären Entdeckungen. Dazu gehört der gigantische Grabhügel bei Dieskau. Das Monument war ursprünglich 15 Meter hoch und hatte einen Durchmesser von 65 Metern Symbol für die Macht und den Reichtum des Bestatteten. Oder die aus Baumstämmen errichtete Ringanlage bei Pömmelte, die Sonnenobservatorium und Ritualort zugleich war. Knochen- und Schädelfunde lassen vermuten, dass hier an der Schwelle von der Steinzeit zur Bronzezeit Menschen geopfert wurden. Ganz in der Nähe der Anlage legen Archäologen zurzeit die größte frühbronzezeitliche Siedlung Mitteleuropas frei.
Grundlage für den Aufstieg des Reiches der Himmelscheibe ist die Bronze, ein Werkstoff, der in der Natur nicht als Erz vorkommt, sondern aus einer Legierung von Kupfer und Zinn entsteht. Die Rohstoffe mussten aus verschiedenen Regionen Europas herbeigeschafft werden. Die Fürsten in Mitteldeutschland kontrollierten offenbar die Warenströme und wurden dadurch wohlhabend und mächtig. Ihr Reich hat vermutlich viele Jahrhunderte in der fruchtbaren Region zwischen Harz, Saale und Elbe existiert.
Anhand von archäologischen Funden ist man heute in der Lage, das Alltagsleben der bronzezeitlichen Menschen zu rekonstruieren. Sie lebten in Langhäusern, die sich mehrere Familien teilten im Winter sogar mit dem Vieh. Nicht nur Lebensumstände, Kleidung oder Ernährung lassen sich inzwischen nachvollziehen, Gräberfunde im Lechtal nahe Augsburg bringen auch erstaunliche Erkenntnisse über die Rolle der Frauen vor 4000 Jahren zutage. Sie waren deutlich mobiler als Männer und brachten vermutlich das Wissen der Bronzeherstellung aus dem Technologiezentrum bei Halle in den Süden Deutschlands. Grund dafür war ein neues Heiratssystem, das junge Frauen dazu zwang, an den Heimatort ihres zukünftigen Mannes zu ziehen.
Jahrhundertelang war die Himmelsscheibe Ausdruck von Macht und Prestige der Herrscher von Nebra. Um das Jahr 1600 vor Christus wurde sie auf dem Mittelberg bei Nebra in der Erde deponiert. Warum, wissen wir nicht. Mit der Himmelsscheibe verschwand das Reich von Nebra im Dunkel der Geschichte bis die Scheibe nach etwa 3600 Jahren wiederauftaucht. Und mit ihr die Geschichte Deutschlands in der Frühen Bronzezeit.
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