Punkt eins Was heißt hier Neutralität?

Mi, 14.05.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Immerwährend neutral: Zum Verständnis eines Begriffs zwischen Geschichte und Gegenwart, Recht, Politik und Mythos. Gäste: Dr. Ralph Janik, Assistenzprofessor an der Sigmund Freud Privat Universität, Lehrbeauftragter an der Universität Wien, der Andrassy Universität in Budapest und der Universität der Bundeswehr in München & Dr. Rita Phillips, Militärpsychologin, stv. Leiterin des Instituts für Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Universität Klagenfurt. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Österreichs immerwährende Neutralität – sie ist Teil der kollektiven Identität, der Gründungsgeschichte der Zweiten Republik und des Selbstbildes als Gastgeber, Vermittler, Brückenbauer. Kein Wunder, dass ihre Bedeutung anlässlich des 70. Jahrestags des Staatsvertrags am 15. Mai einmal mehr betont wird. Doch die Gegenwart fordert nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auch eine Auseinandersetzung mit dem Konzept. Was bedeutet Neutralität heute, wie ist sie zu verstehen? Ist sie als politisches Modell noch zeitgemäß? Und wie verhält sich das Bild der österreichischen Neutralität zur politischen und rechtlichen Theorie und Praxis? Die Neutralität biete „vielleicht mehr Schutz als 5.000 amerikanische Soldaten auf österreichischem Boden“, meinte am Sonntag der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer in einem APA-Interview. An seinem Neutralitätsgebot werde Österreich weiter festhalten, versicherte Christian Stocker (ÖVP) kurz nach Amtsantritt als Bundeskanzler. An anderer Stelle betonte er, wie „unerlässlich“ eine aktive Beteiligung Österreichs an der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU sei, „denn die Neutralität allein schützt uns nicht, das ist ein gefährlicher Trugschluss.“ Frisch zur Außenministerin ernannt, erklärte Beate Meinl-Reisinger (NEOS) die Notwendigkeit eines stärkeren Europas und kritisierte, dass das Thema Sicherheitspolitik „immer von der Neutralitätsfrage her angeflogen“ werde. Seit Beginn des russischen Großangriffs versuche die Bundesregierung einen Neutralitäts-Drahtseilakt zu vollführen, schreibt Ralph Janik, Assistenzprofessor für Völkerrecht an der Sigmund-Freud-Privatuniversität, in einem seiner Kommentare, doch konkret über die Rolle der Neutralität der Gegenwart, eine aktive Neutralitätspolitik oder die Herausforderungen dieses Status nachzudenken, finde nicht statt. „Ihre große Bedeutung liegt gerade in ihrem unbestimmten Inhalt. Sie ist und bleibt eine politische und emotionale Projektionsfläche“, liest man in einem anderen Essay des Lehrbeauftragten an der Universität Wien, der Andrassy Universität in Budapest und der Universität der Bundeswehr in München. Einen Überblick über die Institution Neutralität und die Diskussionen darüber erarbeitet Ralph Janik gerade gemeinsam mit Franz Cede in einem Buch zum Thema: „Auslaufmodell Neutralität?“ Zur Neutralität als Wert an sich gibt es seit Jahren eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung, aber „das Problem ist, dass bei solchen Umfragen nur die Zustimmung zur Neutralität abgefragt wird. Wir vermuteten aber, dass die Konzepte, was denn nun unter der Neutralität verstanden wird, sehr verschwommen sind. Das sehen wir auch in der Wahlwerbung der Parteien, in denen jede Partei ihre Definition als ,wahre’ Neutralität darstellt“, erklärt Rita Phillips. Die Militärpsychologin, die am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft forscht und lehrt, hat in zwei Studien das Neutralitätsverständnis der Österreicherinnen und Österreicher erhoben: einmal fokussiert auf junge Menschen unter 30 mit Fragen nach der historischen Entstehung; einmal mit einem repräsentativen Datensatz gemeinsam mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung. Welches Bild der Neutralität zeichnen die Ergebnisse der Umfragen? Welche Konsequenzen lassen sich daraus für die politische Debatte ziehen? Ist es – politisch, rechtlich, aus aktuellen Gründen – sinnvoll oder sogar geboten, die österreichische Neutralität konkreter zu definieren oder sie zu hinterfragen? Und wie würde eine zeitgemäße Neutralitätspolitik aussehen; was ist Österreich möglich, was nicht und wozu wären wir genaugenommen verpflichtet? Der Völkerrechtsprofessor Ralph Janik und die Militärpsychologin Rita Phillips skizzieren als Gäste bei Barbara Zeithammer die historischen Wurzeln, die rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Dimensionen und die Perspektiven der österreichischen Neutralität. Diskutieren Sie mit! Kostenfrei aus ganz Österreich telefonisch live während der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schicken Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

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