Die Wolga – Russlands großer Fluss im Porträt

Der Dreiteiler „Die Wolga“ ist das umfassende Porträt eines Stromes, der wie kein zweiter in Europa viele Landstriche entlang seines Laufs für zahlreiche Tierarten bewohnbar macht. Faszinierende Luftaufnahmen geben einen herausragenden Eindruck von den schier unendlichen Weiten des Wolgabeckens und seinen versteckten Naturjuwelen. Obwohl der Strom seinen Weg unweit von dichtbesiedelten Gebieten nimmt, schafft das Flussreich der Wolga auch heute noch überraschend viel Raum für ungezähmte Natur. Bilder von selten dokumentierten Tierarten in teils unberührten Landschaften zeigen die unzähligen, verborgenen Lebenswelten der Osteuropäischen Ebene – und vermitteln eine Idee davon, welches emotionale Verständnis hinter dem Begriff der „russischen Seele“ stecken könnte.

Teil 1: Ein Strom wird geboren

Die Wolga ist der längste Fluss Europas. Sie entspringt als kleines Rinnsal in den Waldai-Höhen im Nordwesten Russlands und durchquert das weitläufige Land über mehr als 3.500 Kilometer bis zum Kaspischen Meer. Die Wolga ist zudem Lebensader Russlands, sie durchfließt fast alle Naturräume des Landes. So bahnt sie sich ihren Weg durch menschenleere Urwälder, weitläufige Steppen und lebensfeindliche Halbwüsten, bis sie sich knapp vor ihrer Mündung in das größte Flussdelta Europas verzweigt. Nirgendwo auf dem Kontinent gibt es noch vergleichbar große intakte Flusslandschaften wie diese. Sie bieten Lebensräume für seltene Tierarten wie den Russischen Desman, das Wisent oder die Saiga-Antilope.

300 Kilometer nordwestlich von Moskau liegen die Waldai-Höhen. Mit 340 Metern sind sie die höchste Erhebung der gesamten Osteuropäischen Ebene. Hier entspringt die Quelle eines der bedeutsamsten Gewässer Europas – der Wolga. Sie sammelt ihr Wasser aus einem Einzugsgebiet, das sich über 1,5 Millionen Quadratkilometer erstreckt und damit größer als Frankreich, Spanien und Portugal zusammengerechnet ist. Neben den Quellbächen von Waldai speist sich die Wolga aus dem Schmelzwasser des Ural im Osten sowie aus den Urwäldern Kareliens im Nordwesten, die als einer der größten natürlichen Wasserspeicher des Kontinents gelten. Dutzende Naturschutzgebiete und Reservate säumen die zahlreichen Zuflüsse zur Wolga. Nirgendwo in Europa gibt es noch so großflächig intakte Flusslandschaften wie hier: Auwälder, Moore, Feuchtwiesen und Überschwemmungsflächen.

Ein halbes Jahr beherrscht der Winter die Niederungen. Der russische Biber ist jetzt in seinem Element. Täglich durchbrechen die kräftigsten Tiere der Clans die Eisdecke, um ihren Unterwasserzugang zur Wohnhöhle nicht zu verlieren. Im angrenzenden tief verschneiten Wald ziehen Wisente und Elche in langen Streifen die Rinde von den Bäumen – die einzige Nahrungsquelle für viele Wochen. Mit etwas Respektsabstand folgen Wildschweine ihren Pfaden. Ohne die großen Mitbewohner könnten sie sich im tiefen Schnee kaum fortbewegen. Sie suchen nach den Stieleichen. Unter ihren kahlen Kronen lohnt es sich, im Schnee zu graben: Hier liegen Hunderte Eicheln versteckt.

Die Meisen setzen auf einen größeren Mitbewohner des Waldes: den Schwarzspecht. Wo er seine Löcher in Wurzeln und Baumstämme schlägt, landen unzählige überwinternde Larven, Insekten und Käfer im Schnee – genügend Futter für die kleinen bunten Vögel, um über den Winter zu kommen. Wenn im späten Frühling die Eisdecke der Wolga aufbricht, haben Fischotter endlich wieder Zugang zu einem ganz bestimmten Jagdrevier: In den Schilfbändern am Ufer verbringen zahllose Moorfrösche und Kröten die frostige Jahreszeit. Die kaltblütigen Lurche sind eine einfache Beute für die verspielten Tauchakrobaten.

Teil 2: Ein Strom zwischen den Kontinenten

Die Wolga ist ein Mythos, ein Fluss der Superlative und die natürliche Lebensader Russlands. Mit über 3.500 Kilometern ist sie der mächtigste Fluss Europas. Ihr Einzugsgebiet ist größer als Frankreich, Spanien und Portugal zusammen.
Der zweite Teil der aufwändigen Naturdokumentation führt von der Waldgrenze Mittelrusslands durch die südrussischen Steppen bis an die Kaspischen Halbwüsten. Als großes blaues Band dominiert die gewaltige Wolga die trockene russische Tiefebene. Entlang der kasachischen Grenze streift sie den Rand des asiatischen Kontinents.

Teil 3: Ein Strom wird zum Meer

Der letzte Teil  von Henry M. Mix folgt dem Strom weiter flussabwärts: von der Waldgrenze Mittelrusslands durch die Hitze der schier endlosen Steppen am Rande Kasachstans bis zum gewaltigen Mündungsdelta am Kaspischen Meer. Die Tierwelt unterscheidet sich dabei maßgeblich von der im wald- und schneereichen Norden des Einzugsgebietes der Wolga: Saiga-Antilopen ziehen zu angestammten Wurfplätzen und Großtrappen zelebrieren ihr prächtiges Balzritual, Steppenfüchse, Jungfernkraniche und Steppenadler besiedeln die Salzsteppen. Noch weiter südlich, in den Schilflandschaften des Wolga-Deltas, brüten die seltenen Krauskopfpelikane. Die im Kaspischen Meer lebenden Kaspi-Robben sind neben der Baikalrobbe die einzigen Meeressäuger weltweit, die nicht in einem der Ozeane leben.

Das Stromtal des südlichen Teils der Wolga markiert den östlichen Rand des europäischen Kontinents. Die Wolga fließt nun entlang der Grenze Kasachstans nach Süden. Wie ein gigantischer Baum erstreckt sie sich über die gesamte westrussische Tiefebene. Der „Stamm“ dieses Baumes, ihr südlicher Lauf, ist allein mehr als 1.300 Kilometer lang, bevor sich der Fluss in Hunderten Einzelarmen im kaspischen Delta verliert.

„Ein Strom wird zum Meer“ führt durch die Salzpfannen und Halbwüsten Kalmückiens und erkundet einen vor Tausenden Jahren ausgetrockneten Arm der Ur-Wolga. Hier werden alte Flusssande und Meeressedimente zum Spielball von Wind und Sonne. So entstehen verstörend schöne Orte, Landschaften voller Magie – und die einzig echte Sandwüste Europas. Auf verlassenen Farmen übernimmt die Natur wieder die Regie: Rosenstare, Adlerbussarde, Ziesel und Wiedehopfe finden hier Schutz und Brutplätze. Und eine kleine Restpopulation der Saiga-Antilope trotzt der Verfolgung durch Wilderer.

Nachdem der Strom, ausgehend von der Quelle, mehr als 3.000 Kilometer zurückgelegt hat, fächert er sich in Hunderte Einzelflüsse auf. Millionen Tonnen Schlamm und Sedimente schiebt die Wolga jährlich ins Kaspische Meer, seit 1920 etwa einen Kilometer Land pro Jahr. Die einzigartige Übergangszone, das Wolgadelta, ist das größte und artenreichste Feuchtgebiet Europas und nebenbei das größte Schilfdelta der Erde. Hunderte Vogelarten leben hier, darunter Seeadler und Pelikane. Alle Jahre wieder fallen große Schwärme von Wanderheuschrecken ins Schilf. Doch auch sie schaffen es nicht, die riesigen Schilfflächen im Delta kahl zu fressen. Über 3.500 Kilometer ist die Wolga bis hierher durch Russland gezogen. Genährt von Quellflüssen, Schnee und Tiefenwasser, beherrscht, gebändigt und doch nie ganz gezähmt, mündet sie ins Kaspische Meer – den größten Binnensee der Erde, so groß wie Deutschland. Mit opulenten Bildern und faszinierenden Flugaufnahmen zeichnet die Produktion ein umfassendes Porträt des längsten Flusses Europas.

 

 

 

Wunderbar umständlich winden sich hunderte, oft namenlose Nebenflüsse durchs Stromtal der Wolga. Bild: Sender / NDR / ALTAYFILM,
Wunderbar umständlich winden sich hunderte, oft namenlose Nebenflüsse durchs Stromtal der Wolga. Bild: Sender / NDR / ALTAYFILM,